Die Erlösung der schwarzen Gräfin

© Christina Jonke

Skrupellos und aus reiner Habgier tötete die Gräfin Salamanca einst zwei Menschen. Ihr Geist wandelt bis heute durch die ehrwürdigen Räume des Renaissance-Schlosses Porcia. Manche vermuten, dass ihre Seele erst Ruhe finden wird, wenn es der einst hartherzigen und raffgierigen Schlossherrin gelingt eine gute Tat zu vollbringen. Niemand weiß, wann sie wieder in Erscheinung treten wird, doch von Zeit zu Zeit schreitet sie majestätisch durch die Gänge und erschreckt ehrbare Bürger oder kecke Besucher. Zwischen einem Geschehen und dem nächsten sind mitunter auch hundert Jahre ins Land gezogen, so die Sage. Von einer Wohltat ist bis heute nichts überliefert, im Gegenteil. Es wird gemunkelt, dass das heitere Treiben, das im Schloss nun schon Jahrzehnte Tradition hat, der Gräfin so unerträglich ist, dass sie es nicht mehr lange dulden wird. Und eines Tages passierte es dann: 

Komödienspielzeit. Im Schlosscafé. Die Schauspieler von „Figaros Hochzeit“ sitzen zur Nachbesprechung der Generalprobe an einem Tisch. Unter dem Tisch wartet der kleine Pinscher Felix auf eventuelle milde Gaben von den Tellern. Es geht hoch her.

Schauspieler 1: 
Andrea, geh bring mir bitte einen Salamanca-Teller.

Andrea: 
Der dauert aber ein bisschen, der Koch ist gerade im Keller.

Schauspieler1: 
Macht nix, ich hab später auch noch Hunger ...

Andrea (knickst kokett): 
Wie der Herr Graf meinen!

Schauspieler1: 
Ja, gell. Der Graf steht mir gut ...

Andrea: 
Als ob Sie immer einer gewesen wären.

Schauspieler2: 
Aber auf die erste Nacht mit der Jungfrau verzichten ... nein das trau ich dir nicht zu!

Regisseur: 
Das macht eben den guten Schauspieler aus!

Schauspielerin1:
Der kann auch das spielen, was er selbst nie im Leben tun würde... 

Regisseur:
.... glaubhaft!!

Aus der Säule in der Mitte des Raumes steigt Rauch auf. Es poltert und zischt. Alle schauen gebannt auf das Schauspiel. Der Hund Felix winselt und verzieht sich unter die Bank.

Schauspieler1: 
Da hat sich unser Pyrotechniker wohl ein Späßchen erlaubt!

Wirt: 
Das geht jetzt aber zu weit. Das stinkt ja wie .... wie direkt aus der Hölle! Künstler hin, Künstler her ...

Regisseur:
Na hoffentlich ist nichts angebrannt!

Wirt:
Die Küche? Nein, der Franz passt schon auf, dass da nix anbrennt!

Die Tür zum Schlosshof wird polternd aufgestoßen. Ein heftiger Windstoß weht herein und bläst alle Kerzen auf den Tischen aus. Die Gräfin Salamanca erscheint, ganz in schwarz gekleidet und mit ihrem großen Schlüsselbund rasselnd. 

Schauspielerin1: 
Wer ist das denn? Die Rolle kenn ich aber nicht! Gehört die zu uns?

Andrea flüstert
Das ist die Gräfin Salamanca ... 

Wirt: 
Oioioioi ...

Die Gräfin schreitet auf Schauspieler1 zu. Sie nimmt ihn an der Hand, zieht ihn in die Mitte des Raumes und beginnt nach einer imaginären Musik zu tanzen. Alle schauen wie erstarrt zu. Schauspieler1 beginnt sich zu entspannen, das Ganze zu genießen und sich auch in den Hüften zu wiegen. Sie tanzen immer wilder, steigen auf die Sessel und Bänke. Auf die Tische, bis schließlich alle tanzen, außer Andrea und der Wirt. Einer nach dem anderen hält sich die Hand vor die Nase, hält sich die Nase zu.

Wirt: 
Was die alte Schachtel noch drauf hat! Hätt ich nicht gedacht ...

Andrea: 
Aber Herr Pirker!

Die Gräfin Salamanca legt den Arm um Schauspieler1, zieht ihn an sich.

Andrea: 
Dass der sich das gefallen lässt ....

Wirt: 
Das bedeutet nichts Gutes ... Nein, nein. Noch nie hat es was Gutes bedeutet, wenn die Salamanca aufgetaucht ist...

Andrea: 
... hat immer einer sterben müssen?

Wirt: 
Das nicht ....

Schauspieler1 beginnt sich ein wenig vor der Umgarnung durch die Gräfin zu wehren.

Schauspieler1: 
So gut kennen wir uns ja noch nicht, Frau Gräfin. Ihr Parfum ... verraten Sie mir welches Sie benutzen? ....

Salamanca funkelt ihn nur an, drückt ihn herrisch an sich. Ihm bleibt die Luft weg.

Schauspieler1: 
Es ist glaube ich nicht mehr ganz en vogue ... die Kopfnote ... lassen Sie mich raten .... Moder? Die Herznote.... Muff?

Salamanca reißt ihn an sich und küsst ihn. Alle wenden sich angeekelt ab. Sie stößt Schauspieler1 in die Gruppe seiner Kolleginnen und Kollegen, die ihn mitleidig aufnehmen. Der kleine Hund Felix schnuppert an Schauspieler1 und wendet sich jaulend wieder ab. 
Salamanca wiegt sich wieder in einem imaginären Takt und nähert sich der Kuchen- und Tortenvitrine. Sie nimmt sich ein Tablett voller Erdbeertörtchen. Andrea und der Wirt beobachten sie, als sie ein kleines Fläschchen aus ihrem Pompadour nimmt und eine Erdbeere mit einer klaren Flüssigkeit beträufelt. 

Andrea leise
Was tut die da?

Wirt: 
Keine Ahnung!  Vielleicht ist das ein Süßstoff?

Andrea: 
Blödsinn!

Die Gräfin nimmt das beträufelte Erdbeertörtchen in ihre Hand, das Tablett drückt sie Andrea in die Hand und deutet ihr, die Gäste zu versorgen. Die Gräfin geht auf Schauspieler1 zu, nimmt ihn an der Hand und drückt ihn auf eine Bank. Sie setzt sich auf seinen Schoß.

Wirt:
Großzügig war die früher aber nicht ...

Andrea:
Vielleicht will sie endlich eine gute Tat ...?

Wirt:
Das wird ein bisserl dürftig. Nicht? Erdbeertörtchen!

Salamanca mit einer wohltönenden einschmeichelnden Stimme: 
Ihr werdet mich erlösen, edler Graf Almaviva! Eure Gemahlin liebt Ihr ohnehin schon lange nicht mehr ... Dafür liebe ich Euch ... Auf das Recht der ersten Nacht habt Ihr verzichtet, das sollt Ihr nun bei mir genießen. Was vor hunderten von Jahren einst war, ist längst verjährt. Mein Körper ist jungfräulich mittlerweile, überzeugt Euch heute Nacht noch selbst ...

Sie will ihm das Törtchen in den Mund schieben.

Andrea: 
Nicht! 

Wirt: 
Das ist von gestern ...

Andrea: 
Nein! Vergiftet.

Salamanca nötigt ihr Opfer. Schauspieler1 nimmt vorsichtig geworden, nur einen ganz kleinen Bissen.

Andrea: 
Lass mich ...

Wirt: 
Die Torten sind aber nicht für die Angestellten ...

Andrea: 
Wenn es eh von gestern ist!

Wirt: 
Und wenn es wirklich vergiftet ist?

Andrea: 
Schnellchecker! .... Wenn da jetzt Einer stirbt....

Wirt: 
... kann ich zusperren.

Der Wirt schlägt Salamanca das Törtchen aus der Hand. Sie fährt wütend auf, bückt sich nach der Mehlspeise, doch der Wirt ist schneller und wirft sie dem kleinen Hund hin. Der frisst das Stück begeistert. 
Sekunden später fällt der Hund tot um. In dem Moment verschwindet auch die Gräfin Salamanca wieder. Was bleibt, ist nur der eigentümliche Geruch, ein wenig Rauch und ein paar Menschen, die wissen, dass sie einem Geist begegnet sind.

 

Was danach geschah:
Als Mahnmal, dass die Geschichte für das Schlosscafé halbwegs glimpflich ausging, hat die Gräfin zur Zeit der Komödienspiele im Café einen Ehrenplatz, von dem aus das Lachen nicht so laut zu hören ist.

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